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16.09.2001

Was so ein paar Segel doch ausmachen ... und warum das öffentliche Leben in Stubbeköbing am Hafen stattfand.

Das letzte Wochende war intensiven Tests und Inbetriebnahmen gewidmet. Zunächst galt es am Samstag das Rigg zu komplettieren. Die Vorstagen samt den hydraulischen Furlern und dem Großbaum mussten aufgebracht werden. Prompt erwiesen sich beide Vorstagen als 10 cm zu kurz. Statt dieses Übel, wie es bei Serienbooten üblich gewesen wäre, mit einem Zusatztoggle auszugleichen, wurden bei NORDIC über Nacht zwei neue Vorstagen angefertigt und am Samstag durch zwei übernächtigte Rigger angeliefert.

Natürlich waren beim Aufriggen die beiden oberen Toggle dann auch wieder etwas zu klein, dies wurde aber durch die Rigger des Mastes mit einer Flex in 26 Meter Höhe passend gemacht. Da während der gesamten Aufriggarbeiten an der Hydraulik gearbeitet wurde, standen die normalen Fallwinschen natürlich nicht zur Verfügung. Wie also bekommt man schnell den Rigger in seinem Bootsmannsstuhl den Mast hoch und auch unfallfrei wieder runter : Mann führe das Fall einfach per Umlenkblock auf die Pier, knote das Fall dann an der vorderen Stossstange eines Autos fest, schaffe sich entsprechend 30 Meter freie Bahn auf der Pier .... und schon ist ein, durch keine Berufsgenossenschaft dieser Welt akzeptierter, Expresslift entstanden. Bungee-Springen muss dagegen etwas für nervenschwache Langweiler sein.

Gegen Mittag stand dann das Rigg samt Großbaum endlich und ließ sich prima trimmen :

Parallel dazu wurde ein Großteil der Hydraulik testweise in Betrieb genommen. Hier hielten sich dann doch die grundsätzlichen Erfolgserlebnisse und die Liste der noch nötigen Nacharbeiten in der Steuerung und Kalibrierung ein bißchen die Waage. Als dann noch nachts während der letzten Probe des Bugstrahlruders (der Querschub erinnert an ein Fährschiff) ein Schlauch abriß und die gesamte Crewkabine unter Hydrauliköl setzte, klang der Abend irgendwie nicht so richtig heiter aus.

Immerhin ließen sich der Generator und der Wassermacher zum Leben erwecken. Der Wassermacher erwies sich dabei als Top-Angler : Im Ansaugstutzen fand sich ein kleiner Dorsch wieder. Bei genauerer Betrachtung des Filterinhaltes wurden dann aber die diversen Kochrezepte für Dorsch zunächst zurückgestellt ...

Beruhigend war, dass die gesamte, komplexe Elektrik problemlos im Echtbetrieb lief. Hier wurde eben der richtige Praxistest absolviert. Während starke Verbraucher wie Hydraulik-Pumpen und Wassermacher liefen, wurde immer wieder ohne Vorwarnung der Landstrom abgeschaltet aber die bordeigenen Systeme (Generator / Batterien / Inverter) übernahmen immer problemlos die immense elektrische Last. Der automatische Umschaltvorgang erinnert immer ein bißchen an ein Flugzeug am Gate : Triebwerksgeräusche ändern sich, das Licht flackert einmal kurz und los gehts.

Am Sonntag schien dann wieder die Sonne, und das nicht nur wetterbedingt. Das North-Sails Team kam mit dem gesamten Segelsatz zum testweisen Setzen. Ziel war es,  noch vor dem Testsegeln zu erkennen, ob Massfehler eine letzte Änderung der Segel oder der zahlreichen Beschläge notwendig machen.

Hilfreich war dabei der Park-Avenue Großbaum, der selbst am hinteren, schmalen Ende eine perfekte Arbeitsplattform bietet :

Zuerst wurde das Großsegel angeschlagen. Beim ersten Mal ein langwieriger Vorgang, da erst alle Segelbeschläge und Latten montiert werden müssen. Das Ergebnis war perfekt, alles passte auf Anhieb und die paar auf dem Bild zu erkennenden Falten resultieren aus dem zum Zeitpunkt der Aufnahme noch fehlendem Unterliekstrecker :

Die Vorsegel passten grundsätzlich ebenso perfekt. Lediglich kleine, nachträgliche Modifikationen am Rigg und an der Seereling wurden beim "Segelbau" wohl nicht mehr berücksichtigt. So müssen bei den beiden Genuas die diversen Patches noch einmal versetzt werden und der Stropp am Hals der G3 ist noch ein paar cm zu lang. Kleinigkeiten :

Die umfangreiche Starkwind- und Sturmgarderobe passte wie angegossen. Hoffen wir, dass Segel wie das Trysegel selten oder nie zum Einsatz kommen :

Die sicherlich spektakulären Gennaker im Hafen zu setzen, haben wir uns dann doch alle nicht getraut, hier müssen wir auf das Testsegeln warten. In Summe hat der erste Segeltest bestens funktioniert und die Kompetenz des Hauses North-Sails mit Booten dieser Grösse bewiesen. Das Team um den deutschen North-Sails Geschäftsführer Thomas Jungblut (1. von links) sah das wohl ähnlich :

Das öffentliche Leben von Stubbeköbing an diesem Wochende fand weitestgehend am Hafen statt. Wahrhaft "mit Kind und Kegel" erschien die versammelte Einwohnerschaft an der Pier um das hier in "ihrem Ort" gebaute Schiff während der Segeltests zu "begutachten". Der Imbiß am Hafen war dem Ansturm kaum mehr gewachsen und hatte am Sonntag kaum noch HotDogs in Reserve (was ich persönlich nicht als sonderlichen Verlust empfand, aber das ist wieder ein anderes Thema).

Dafür fand im besten (und einzigen Hotel) vor Ort am Abend eine typische dänische Feier statt  ... musikalisch "untermalt" von einem Solisten auf der Trompete .... neben dem laufenden Diesel zu schlafen wäre sicherlich wesentlich erholsamer gewesen. Auch wenn die dänischen Olsen-Brüder mal einen Schlager Grand Prix gewonnen haben, die wirtschaftliche Zukunft Dänemarks liegt wohl doch eher im Bootsbau.

Während der nächsten Woche gilt es nun die "tausend" Restarbeiten an Deck und im Innenbereich zu erledigen und die Hydraulik-Nacharbeiten für die Anfang übernächster Woche stattfinden Feineinstellungen vorzunehmen. Und dann gehts endlich raus aufs Wasser unter Segel.

Thormod Ohm / 16.9.2001

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