Logbuch - Live von Bord!    
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4.06.2002

Nun aber los : 18,8 kn Speed, 48 kn Wind .... und schon kommt das Dessert nur noch aus der Dose.

 Logbuch, Dienstag, 04.06.2002, 8.Tag, Sendedatum: 05.06.02,

Position: 36°31,5'N, 002°57,2 (2400 UTC)

gesegelte Strecke ab Horta:              1.131,4 NM

gesegelte Strecke ab Gibraltar:               72,0 NM        

verbleibende Strecke bis Mallorca:             ca. 370 NM    

Wetter (vormittags): bedeckter Himmel, leichter Regen, mittlere Sicht, Luftdruck: 1022,5 hPa, fallend

Wind:   W,  2 - 4 Bft.

See:     0,5 - 1 m

Wetter (nachmittags): Sonnenschein, gute Sicht, Luftdruck: 1020,0 hPa, fallend

Wind:   WSW,  4 - 6 Bft., in Böen bis 8 (40 Knoten), später mehr

See:     1,5 - 2,5 m, vereinzelt deutlich größer

Noch immer etwas nördlich der Hauptschifffahrtstraße steuern wir nach zweimaligem Halsen mit Kurs 090° die Straße von Gibraltar mit dem Leuchtfeuer von Tarifa an.

0628 UTC: Wir passieren das Leuchtfeuer von Tarifa (Fl(3)WR, 10s40m26/18M, Siren(3)60s auf Pos. 36°00´N, 005°36,4´W für die Nautiker), die südlichste Spitze Kontinentaleuropas im Abstand von einer Kabellänge bei Regen. Es geht nicht anders. Wir müssen es so berichten, wie es ist, auch wenn wir nur Schönwetterbilder ins Internet stellen wollten, diese Stelle muss ´rein, egal, ob nun die Sonne scheint oder nicht.

Auch auf der Afrikanischen Seite türmen sich riesige Wolkenberge über der imposanten Gebirgskette von Marokkos Küste auf. Allerdings scheint hier schon an mehreren Stellen die Sonne. Man darf  also hoffen. Über Grund fahren wir um die 8 Knoten schnell. Darin 2 Knoten nach Ost schiebender Strom enthalten.

Etwa 10 Meilen nach Passage der Meerenge schifften wir das Groß nach Stb. und nehmen Kurs direkt auf die Hafenanlagen von Gibraltar. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir eine dem Hafen vorgelagerte Reede, wo einige Tankschiffe für Kraftstoffe und Gas ankern. Eine Schnellfähre überholt uns auf Stb. Chris fragt über Funk beim Hafenmeister nach, ob wir an einer bestimmten Tankstelle Kraftstoff bekommen können. Die Antwort lautet "Nein, heute nicht". Erst die zweite Anfrage in dem Yachthafen "Marina Bay" hat Erfolg.

0830 UTC: Wir machen an der Tankpier von "Marina Bay" mit Blick auf den Affenfelsen fest. Beim Tanken stellen wir unsere Uhren auf MESZ (UTC+2) um. Damit hat uns die "alte" Zeit wieder".

Nach dem Füllen der Tanks, das einige Zeit in Anspruch nimmt, bekommt die Crew genau eine Stunde Zeit, Gibraltar kennen zu lernen. Svend hat seine Sieben Sachen inzwischen gepackt und steht - frisch geduscht und rasiert - ebenfalls abreisebereit auf der Tankpier. Alle zusammen - bis auf Chris - machen wir uns auf den Weg. Der hatte uns schon direkt nach der Ankunft einklariert und keine Lust, noch einmal mitzukommen. Nachdem wir Svend herzlich verabschiedet und ihm einen Guten Flug gewünscht haben, trennen sich unsere Wege. Er wird versuchen, per Flugzeug über einen Spanischen Flughafen nach Mallorca zu kommen, weil dort sein Anschlussflug abgeht. Soweit wir bisher wissen, sind die Verbindungen weitestgehend auf London ausgerichtet. Das ist recht unkomfortabel.....

Unser Stadtbesuch: Den berühmten Affenfelsen schaffen wir in der begrenzten Zeit zwar nicht, um den Rest, ein paar alte Gemäuer und Straßen anzusehen, die massenhaft mit überteuerten Duty-free-Shops vollgestopft sind, reicht die Zeit aber völlig. Trotz einer Espressopause für ein paar Postkarten sind wir nur wenige Minuten nach der vereinbarten Zeit 1300 MESZ (1100 UTC) zurück an Bord. Hier spendiert uns Chris noch schnell ein Eis am Stiel. Die Leinen werden deshalb einhändig losgeworfen (in der anderen Hand ist das Eis) und schon geht es ´raus aus der Marina und gleich. Wird die gelbe Einklarierungsflagge geborgen.

Das gereffte Groß und Genua 1 setzen wir in mitten der ankernden Frachter. Es geht bis zur Ausfahrt der Bucht auf etwa 150°, dort fallen wir auf unseren neuen Kurs von 080° ab. Um genau 1200 UTC wird das Kap mit dem Leuchtturm "Europa Point" mit umsegelt. Das ist der südlichste Punkt von Gibraltar, der kleinen Halbinsel unter Englischem Protektorat (Zitat von Wolfgang). Nun nehmen wir direkt Kurs auf Cabo de Gata, das östliche Ende vom Golf von Almeria.

Der Wetterbericht für das Mittelmeer sagt uns für heute Starkwind aus West mit bis zu 8 Bft. voraus. Das könnte uns gut nach vorn bringen auf dem Weg in Richtung Palma de Mallorca, von hier aus in Richtung ENE.

Schon als wir das Kapp umsegeln, merken wir, dass das mit der Vorhersage dieses Mal klappt. Das Wetter hat sich sehr zum Besseren verändert: viel Wind, langsam größer werdende Wellen, ein toller blauer Himmel mit Sonnenschein. Die "Heaven can wait" liebt das genauso wie wir und wird immer schneller. Der Rekord von gestern ist bald eingestellt. Der GPS meldet satte 14,3 Knoten als Maximum. Mr. "Thirteenpointnine" muss den Pokal an den Chronisten abgeben J.

Nachdem wir die ersten zwei Stunden alle zusammen im Cockpit verbringen und den zweiten Superklassesegeltag genießen, verkrümeln sich nach und nach die Freiwachen, denn der nächste Dienst kommt bestimmt. Aber vorher "versägen" wir noch alle zusammen ein recht herunter gekommenes Frachtschiff. Man winkt sich freundlich zu.

Es muss schon wieder von Geschwindigkeit geschrieben werden: Um 1711 UTC schießt Watchcaptain Fritz den Vogel ab: lt. GPS 16,4 Knoten Speed! Das dürfte schwer zu schlagen sein. Eine Superwelle hat´s möglich gemacht. Herzlichen Glückwunsch an "Turbofritz"! Nur strahlende Gesichter im Cockpit. Wo wir gerade bei Zahlen sind: der Windmesser meinte vor kurzem, eine "40" auf dem Display würde uns beeindrucken. Stimmt, Windmesser, macht es! Schon seit einiger Zeit steht der Zeiger fest auf 7 Bft. Auch die Geräusche unter Deck sind lauter geworden. Aus dem leisen Gurgeln von vor ein paar Tagen ist ein Fauchen geworden, das so manchem weniger erfahrenen Seemann durchaus etwas Furcht einjagen könnte.....

Bei einer noch recht kleinen "Geige" von "Turbofritz" gerät unter Deck alles Mögliche in Bewegung, das nicht niet- und nagelfest ist. Die Freiwache unter Deck versucht, die losen Dinge - so gut es geht - festzuhalten. Bei einem kleinen Teil klappt das aber nicht. Es ist das Backgammonspiel, das dem im Salon schlafenden Chris aus dem Regal direkt auf den Bauch fällt. Natürlich wacht er davon auf und macht sich erst einmal ein Bild der Situation. Alles halb so wild stellt er fest. Wir hatten ohnehin vor, vor dem Essen das 2. Reff einzudrehen. Warum also nicht schon jetzt. Zum ersten Mal drehen wir dafür bei, was wir vorher nicht getan haben. Danach ist Miriam begeistert, wie schön "gerade" wir jetzt wieder sind (alles im Leben ist relativ!). Aber in der Tat ist es "gemütlicher" als vorher.

1815 UTC: Das Essen ist fertig. Heute fällt es etwas sparsamer als sonst aus. (Eva aus Haltern wird es vermutlich beruhigt zur Kenntnis nehmen...). Putengeschnetzeltes in Sahnesoße mit Reis und als Dessert einen Obstcocktail, dieses Mal aus der Konserve. Freiwillige vor, die bei Windstärke 7 - 8 etwas aufwendigeres kochen möchten!

Nach dem Essen kommt uns frontal ein verdammt breiter, roter Bug entgegen. Auf VHF-Anrufe reagiert niemand auf der Brücke. Nach kurzer Zeit stellen wir beruhigt fest, dass das Schiff seinen Kurs nach Stb. geändert hat und nun in ausreichendem Abstand passiert. Ein paar Seemänner winken uns mit gezückten Fotoapparaten zu.

Da wir nun zwei Hände weniger an Bord haben, müssen wir mit den Ressourcen ein bisschen sparsamer umgehen. Der Chronist haut sich jetzt ein Stündchen aufs Ohr, denn ab 2030 UTC ist für ihn "dead-down-Kurbeln" angesagt. Die Pause muss aber sofort verschoben werden, weil wir offenbar auf Kollisionskurs mit einem Tanker sind. Zumindest macht das den Anschein, da der Tankerkapitän eine Segelyacht anspricht, deren Position ähnlich der unseren ist. Die sofort durchgeführte Bewertung des Radarbildes ergibt jedoch, dass sich noch ein anderer Segler in der Nachbarschaft befindet, der dem Tanker gerade vor die Flinte fährt. Also Entwarnung. Nun aber in die Koje! Nein, schon wieder was neues: Irgendwie sind wir durch unsere - durch die Schmetterlingbesegelung verursachte - eingeschränkte Manövrierfähigkeit immer weiter in den Bereich der "shippinglane" gekommen. Also entschließt sich Chris zu einer Halse; um diesem nicht ganz ungefährlichen Bereich wieder zu entkommen. Dass das bei 27 - 35 Knoten Wind ein bisschen Arbeit macht, braucht man keinem Seemann zu erklären. Danach aber geht es endlich in die Koje! ....aber nur für 12 Minuten. Denn ein anderer Frachter, der sich auch etwas außerhalb der Hauptfahrtrichtung befindet, spricht uns jetzt "ganz persönlich" an, und wir sind wirklich gemeint. Zunächst entschuldigt er sich, dass sein Bugtopplicht nicht funktioniert und deshalb keiner weiß, was für ein Schiff man denn nun vor sich hat. Dann bittet er uns, unseren Kurs nach Stb. zu ändern, was dem üblichen Verfahren in solchen Fällen entspricht; denn wir befinden uns offenbar schon wieder auf Frontalkollisionskurs. Leider können wir seinem Wunsch aus oben geschilderten Sachverhalt nicht nachkommen. Chris bittet ihn, uns stattdessen seine Bb.-Seite zu zeigen. Wir werden deutlich anluven und das gleiche bei ihm tun. Man einigt sich also freundlich auf das Verfahren und passiert sich in "großzügigen" 0,15 Seemeilen. Sollten sich beim Eigner beim Lesen dieser Zeilen Schweißperlen auf der Stirn gebildet haben: Gemach, gemach, es kommt noch besser!

Durch das Manöver haben wir leider einiges an "Raum"  verloren und segeln jetzt mit unveränderter Geschwindigkeit von 12 - 14 Knoten in Richtung Andalusischer Küste.

Chris verordnet dem Schreiberling eine außerwachplanmäßig Pause von 60 Minuten, da die Freiwache irgendwie drauf gegangen ist. Die enormen Schiffbewegungen erlauben zwar keinen Schlaf, aber Ausruhen ist ja auch schon gut. Unterbrochen wird das Dösen noch durch einen heftigen Gefühlausbruch des Skippers, nachdem die "Prinzessin" wohl gerade durch den Hauptwaschgang in einer Waschmaschine gegangen sein muss, so laut wie das Rauschen war. 16,6 Knoten sind das Ergebnis! Die imaginäre Siegesschale wird sofort von "Sheeting-Jo" an den Skipper weiter gereicht. So ist die Welt wieder in Ordnung.

Als die kleine Pause um ist, geht es entspannt und frohen Mutes an Deck. Draußen ist das Mittelmeer mittelmäßig am Kochen. Chris vermutet, die heutigen Bedingungen seien sehr gut für weitere Rekorde. Na ja, nun halte mal den Ball flach, Sailor!

Die von hinten anrauschenden Wellen sind besonders imposant, wenn sie sich direkt hinter dem Heck brechen. Der Helmsman darf sich zwar nicht umdrehen, kann es aber trotzdem erkennen. Es ist etwa so, als wenn man auf der Autobahn fährt und von hinten kommt einer mit aufgeblendeten Scheinwerfern an. Das soll nicht gehen, weil da ja kein Anderer auf dem Mittelmeer so nah hinter uns unterwegs ist? Stimmt. Aber es ist das helle Hecklicht, dass von der fast weißen Wasserwand ganz einfach ins Cockpit zurück geworfen wird. Spätestens dann weiß der Mann am Rohr: Aufpassen ist angesagt. Hin und wieder springen sogar kleine, vorwitzige Wellen auf das Achterdeck und fluten das hintere Cockpit, das aber sowieso mal dran war mit spülen.... Und die Sailors stehen mit den Stiefeln im Wasser!

Auch ein Chris braucht mal ein kleinen Päuschen. Also übernimmt "Crashgybejohnny" die Arbeit. Es ist aber gar nicht so leicht, die HCW heile durch die Wellen zu bringen, deshalb gibt er das Rad bald wieder ab. Wie der Teufel geht es fliegend durch die Nacht. Die Wellenhöhe dürfte die 4-Meter-Grenze überschritten haben (Seemannsübertreibungen sind bereits abgezogen, die amtlichen Grundlagen zur signifikanten Wellenhöhe berücksichtigt). Obwohl der Himmel sternenklar ist und die Luft relativ warm, wirkt die Situation etwas unwirklich und bedrohlich. Das Wasser besteht nur noch aus Gischt und ist um das Schiff herum weiß. Dagegen hebt sich der Himmel mit einem hellen und freundlichen Schwarz ab, ob nun Sterne oder nicht. Nicht einmal der Mond traut sich über den Horizont. Ein paar gemeine Querläufer lassen das Rudergehen zu harter Arbeit werden, will man keinen Crash riskieren. Immer öfter erscheint uns die "Heaven can wait" wie ein üppig dimensioniertes Surfbrett.

Die Kombination einer sehr lang gezogenen Welle oder eher zwei flach aneinander hängender Superwellen in der Verbindung mit einer richtig fetten Böe bringen die Prinzessin dann kurz nach Mitternacht (MESZ) bei einem wohl kalkulierten Sinkflug total aus dem Häuschen: Das Wasser teilt sich vor dem Bug in zwei hoch aufragende, weiße Hälften, das Rauschen wird eine ganze Ecke laute und bekommt so einen merkwürdigen, tiefen Unterton. Rumpf und Rigg fangen zu singen an. Der Steuermann denkt: "Mach´ jetzt bloß keinen Scheiß, Alter! Irgendwann ist die Böe auch wieder zu Ende!" Das Adrenalin in den Adern ist kaum zu bändigen. Es ist wie ein Surf auf brodelndem Schaum. Als das Toben ein Ende hat, kommt der Skipper mit leuchtenden Augen aus der Navi-Ecke an den Niedergang geschossen. Auf die kurze Frage "How much?" ruft er laut gegen den Wind: "Eighteenpointeight! A new record!" So fühlen sich also unglaubliche 18,8 Knoten an! Wieso der Chronist das alles so genau weiß J ? Der Skipper trägt das Ereignis und den Namen des Steuermanns in das "richtige" Logbuch ein....

Die absolute Höchstgeschwindigkeit der HCW liegt noch 0,1 Knoten höher und ist bei einem Surf auf der letzten ARC unter Spi entstanden. Ob wir auch bei diesen Bedingungen noch die Tüte ziehen würden? Wohl eher nicht. Ist ja schließlich kein Volvo-Ocean-Race, oder?

Etwa dreißig oder vierzig Minuten später möchte der Rekordhalter von Chris abgelöst werden. Der versucht umgehend, seinen Platz auf dem Treppchen zurück zu erobern, was aber nicht gelingt. Währenddessen entdeckt der Chronist auf einem der stark abgedunkelten Displays im Steuerstand eine Böe von 48,2 Knoten (10 Bft.). Wie stark die Böe für den "speedrecord" war, wissen wir nicht. In dem Moment hat keiner auf die Instrumente geachtet. Schade, eigentlich! Vielleicht findet Chris die Zahl ja noch in irgendeinem Speicher.

Je näher wir der Küste kommen, umso mehr dreht der Wind rück ("Linksherum"). Es ist also klar: die nächste Halse steht bald an. Vorher überprüfen wir unsere GPS-Position noch auf die "klassische" Weise. Der eine der beiden gepeilten Leuchttürme verschwindet allerdings so oft hinter den hohen Wellen, das seine Kennung zunächst nur schwer zu identifizieren ist. Schließlich ist alles klar und wir halsen an strategisch günstiger Stelle. Das Leuchtfeuer Pta. Sabinal, (Llanos de Almeria vorgelagert, auf ca.-Pos. 36°41´N, 002°42´W) liegt jetzt auf Bb. querab. Im Golfo de Vera halsen wir später ein weiteres Mal.

Die Nacht verläuft auch weiterhin recht unruhig. Deshalb wird deren weiterer Verlauf auf den morgigen Tag verschoben.

Für die Statistik ein paar Daten: Höchstgeschwindigkeit über Grund: 18,8 Knoten, max. Windspeed lt. Instrument: 48,2 Knoten, Durchschnittsgeschwindigkeit seit dem Start in Gibraltar (1120 UTC) bis um 2340 UTC: über 10 Knoten.

Bis morgen,

Karsten

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